Die LaNa erzählt gern Geschichten von Menschen, vom Schüler bis zur Seniorin, die sich den Nachbarsprachen Polnisch bzw. Tschechisch geöffnet haben und welche in die Kultur der Nachbarn eingetaucht sind.
Lesen Sie heute die Geschichte von Professor Dr.-Ing. Robert Knippschild und seinem persönlichen Weg zur Sprache und Kultur Polens, was ihn persönlich dabei beflügelt hat, wie es dazu kam, dass er sich heute selbst gern als „Wahlpole“ bezeichnet und am liebsten in der Grenzregion zu Hause ist und warum das Nachbarsprachenlernen von Klein auf die Grenzregion voranbringt.
Zum Werdegang
Robert Knippschild lebt mit seiner Familie in Dresden. Seit fünf Jahren leitet er das Interdisziplinäre Zentrum für transformativen Stadtumbau (IZS), eine gemeinsame Einrichtung des Leibniz-Institutes für ökologische Raumentwicklung (IÖR) und des Internationalen Hochschulinstitutes Zittau der TU Dresden. Sein Lebens- und Arbeitsplatz ist sowohl in der Landeshauptstadt Sachsens als auch in Görlitz verortet und er stellt rückblickend fest, dass nicht nur seine berufliche Laufbahn, sondern im Grunde auch seine gesamte Biografie ab Ende des Studiums vor allem durch Polen, seine Sprache und Kultur geprägt sind. Ursprünglich ist R. Knippschild kein Kind der östlichen Grenzregion. Er ist in Oberschwaben aufgewachsen und hat in Dortmund Raumplanung studiert. Genau dort hat sein Interesse für Polen seinen Ursprung, denn mit der Theorie und den Prüfungen weitestgehend in der Tasche, ließ er den Blick über den Tellerrand nach Europa schweifen.
Von Dortmund über England nach Polen
Zuerst ein Zwischenstopp in England: „Der Aufenthalt hat den Horizont schon ein wenig erweitert. Man bekam so ein Gespür für Europa.“ Und schließlich ging es über einen Kontakt nach Krakau, wo er sich damals für ein Praktikum in einem Zentrum für urbane Entwicklung bemühte, ohne Vorkenntnisse in Polnisch. Vor Ort angekommen, füllte ihn die fachliche Aufgabe nicht ganz aus. Sein betreuender Professor steckte ihn deshalb kurzerhand in einen Intensivsprachkurs Polnisch, der gerade lief. Knippschild wurde somit freiwillig Teil einer buntgemischten Gruppe internationaler Studierender, die diesen Kurs pflichtgemäß angetreten hatten, um die Grundvoraussetzung für ein Studium in Polen zu erwerben. Hoch motiviert fand er sich schließlich 5 Tage die Woche a‘ 6 Stunden beim Polnisch lernen wieder. Er hatte den anderen gegenüber auch einiges aufzuholen. In Krakau war Spätherbst, es war kalt und die Stadt lag romantisch mystisch grau in grau da. „Niemand aus der Gruppe, zu der auch Personen aus wesentlich wärmeren Gefilden gehörten, verstanden, wie ich mich freiwillig in so ein Klima und in so eine schwierige Sprache begeben konnte! Heute weiß ich, dass diese Freiwilligkeit die beste Motivation überhaupt war. Was ich bei Pani Grażyna gelernt habe, ist die Substanz meiner Sprachkompetenz, von der ich heute noch zehre. Außerdem musste ich Polnisch sprechen, es war die einzige gemeinsame Sprache in der Lerngruppe und ich musste mich auch sprachlich im Alltag in Krakau bewegen.“ Diesem Aufenthalt folgte ein weiterer zu Recherchezwecken in Warschau, wo Knippschild schließlich feststellte, dass er inzwischen in der Lage war „in der Landessprache durch Polen zu segeln. Das hat mich ungemein beflügelt!“ führt er an. „Es ging nicht mehr nur um das problemlose Bestellen von Getränken oder das Einkaufen von Fahrkarten, nein. Ich begann die Tageszeitung zu lesen und auch fachlich in die polnische und deutsch-polnische Geschichte einzutauchen […] Ich bin gefühlt ein Teil des Landes und Polen ist ein Teil meiner Identität geworden. Vor allem habe ich auch ein Verständnis für die europäische Geschichte erlangt, welches mir bis dahin verwehrt geblieben war. Es war nicht Teil der Schulausbildung. Ist es bis heute leider nicht!“, fügt er beim Gedanken an seine eigenen Kinder an, die aktuell in der Sekundarstufe lernen.
Der Wert von Nachbarsprachkompetenz
Nach Abschluss seines Studiums suchte er schließlich gezielt nach Einrichtungen seines Fachgebietes, die sich auch grenzüberschreitenden Projekten widmeten, und fand dies im IÖR. Auch sein Promotionsthema beschäftigte sich mit dem Grenzraum im Dreiländereck Deutschland-Polen-Tschechien. Knippschild resümiert, dass ihn seine Aufenthalte im Nachbarland und die Nachbarsprachkenntnisse vor allem auch berufliche Chancen eröffnet hätten, die ihm allein mit der üblichen Fremdsprachenausbildung in der Schule verwehrt geblieben wären. Aber er habe auch schon Grenzen seiner Sprachkompetenz erfahren müssen, wenn es darum ging, ohne professionelle Sprachmittlung fachlich-vertragliche Inhalte mit PartnerInnen aus Polen zu verhandeln. Eine Erfahrung, die stellenweise überfordernd und unangenehm, aber lehrreich war. Auf die Frage hin, was er sich heute für Grenzregionen, wie die sächsisch-polnische wünsche, antwortet er, dass „alles mit einer gewissen Sprachkompetenz steht und fällt. Würde diese zu beiden Seiten der Grenze flächendeckend ab dem Vorschulalter umgesetzt, ergäben sich ganz andere Möglichkeiten und Wettbewerbsvorteile für solche Regionen und die Menschen, die dort leben. Die authentische Begegnung der Nachbarn, die des anderen Sprache verstehen, ist eine ungemeine Chance, die der gesellschaftlichen Integration zuträglich ist und das gegenseitige Verständnis fördert und diese Region schließlich weiterentwickeln kann, auf vielen Ebenen!“
Und Ihre Nachbarsprachgeschichte?
Die LaNa dankt Prof. Knippschild für seine persönliche Geschichte.
Sind Sie beim Lesen dieser Geschichte neugierig geworden auf Polen oder Tschechien? Haben Sie ebenfalls eine persönliche Geschichte, die Sie mit den sächsischen Nachbarn positiv geprägt hat? Dann erzählen Sie sie uns gern.