Dreiländerregion um Zittau auf dem Weg zur Modellregion für nachbarsprachige Bildung

Diese klare Botschaft ging von der gestrigen trinationalen Auftaktkonferenz unter dem Motto „Bildung? Grenzenlos in der deutsch-polnisch-tschechischen Dreiländerregion!“ im Zittauer Rathaus aus. Sie führte Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Verwaltung, Kitas und Schulen aller drei Nachbarländer zusammen und stellte die Potenziale des Frühstarts in den Nachbarspracherwerb in den Kitas in das Zentrum der Diskussion. Lesen Sie dazu die nachfolgende Pressemitteilung der Stadt Zittau:

Pressemitteilung (Zittau, 14.03.2018)

Wir bringen den Kindern die Nachbarsprache bereits im Kindergarten bei, das kann man aus Zittau hören
Bisher bieten nur 15 Kindergärten von 280 in der Region Liberec den Deutschunterricht an, auf der deutschen Seite (Anm. d. Red.: im Landkreis Görlitz) sind es 30 Kitas von insgesamt 167, die ein Nachbarsprachangebot unterbreiten und/oder eine grenzüberschreitende Partnerschaft pflegen. Damit sich die Anzahl sowohl der tschechischen wie auch der deutschen Kitas und Grundschulen erhöht, veranstaltet die Stadt Zittau das Projekt Nachbarsprachen in der Euroregion Neiße. Aus diesem Anlass fand die trinationale Konferenz zum Thema Nachbarsprachen statt, an der sich über 70 Vertreter aus Kindergärten und Grundschulen, eingeladene Experten und Politiker, getroffen haben. Sie waren sich einig, dass gerade die Grenzgebiete die besten Voraussetzungen für eine mehrsprachige Erziehung von Kindern in ihrer natürlichen Form bieten, sowie gegenseitige Begegnungen und den Erfahrungsaustausch ermöglichen. Fachlich wurde die Veranstaltung von der Sächsischen Landesstelle für frühe nachbarsprachige Bildung in Görlitz begleitet.

„Das Thema der Mehrsprachigkeit ist in der heutigen Zeit um so wichtiger, da die Sprachkenntnisse der Nachbarsprache nicht nur aus der kulturellen und wirtschaftlichen Sicht wichtig sind, sondern auch in Bezug auf den Arbeitsmarkt,“ erklärt Michaela Janyska, Managerin für internationale Zusammenarbeit der Stadt Zittau. „Das Bildungssystem sollte dem Sprachunterricht angepasst und die Sprachlehrer ausgebildet werden. Unser Ziel ist es zu zeigen, wie einfach der Spracherwerb sein kann, wenn man damit frühzeitig und richtig beginnt,“ ergänzt Michaela Janyska.

Englisch ist ein Muss, Deutsch ein Plus
Bereits seit acht Jahren gehört die deutsche Sprache, zum Beispiel im Kindergarten Klášterní in Liberec, in den Lehrplan. „Eltern bevorzugen immer noch Englisch, aber sie verstehen zunehmend, dass Deutsch in unserer Region sehr wichtig ist – oder wie wir sagen: Englisch ist ein Muss, Deutsch ein Plus“, erklärt die Leiterin Kamila Podrápská, die Deutsch nicht als Fremdsprache betrachtet, sondern als die Sprache der Nachbarn.

Die Unterrichtsmethoden sind natürlich dem Alter der Kinder angepasst. „Eigentlich sind sie den ganzen Tag mit Deutsch im Kontakt – beim Mittagessen wünsche ich ihnen `Guten Appetit`, frage sie, wie es geschmeckt hat …“, erklärt Podrápská. „Dann haben wir 4x wöchentlich 15 Minuten Deutsch, in denen wir mit zwei Marionetten mit den Kindern spielen. Die Kleinsten reagieren zunächst nur auf die Spielanweisungen, ältere Kinder wiederholen kurze Gedichte und Lieder, die Ältesten können sich leicht über Kinderthemen verständigen.“ Aus Erfahrung weiß sie, dass man den Fortschritt bereits nach sechs Monaten sehen kann.

„Unser Ziel ist es nicht, den Kindern Unmengen von neuen Wörtern zu vermitteln. Wir wünschen uns, dass sie mit Freude der deutschen Sprache begegnen, dass sie begreifen, dass man sich auch in anderer Sprache verständigen kann und die Melodie der Sprache kennenzulernen. All das ermöglicht den Beginn des Sprachunterrichts an der Grundschule,“ ergänzt die Leiterin. Den Anschluss haben die Kinder an der Grundschule ZŠ Husova in Liberec, wo die Nachbarsprache bereits ab der ersten Klasse unterrichtet wird.

In Zittau besteht großes Interesse an Tschechisch
Auch auf der deutschen Seite wird versucht, die Kinder für die Nachbarsprache, also Tschechisch oder Polnisch, zu begeistern. Ein sehr gutes Beispiel ist die Lessing-Grundschule in Zittau, wo die Leiterin Frau Carla Renner die tschechische Sprache bereits seit 2000 vermittelt. „Wir sind eine Stützpunktschule für Intensives Sprachenlernen Tschechisch und ich kann bestätigen, dass das Interesse an Tschechisch groß ist. Alle Schüler der ersten bis vierten Klassen haben in der Regel eine Stunde pro Woche im Stundenplan festgeschrieben. Der Unterricht erfolgt jeweils für eine Klassenhälfte in spielerischer Form,“ erklärt Carla Renner. „Wir haben eine Kooperation mit der 1. Grundschule in Hradek n.N. (CZ) und der 3. Grundschule in Bogatynia (PL). Wir treffen uns zu gemeinsamer Projektarbeit, veranstalten Unternehmungen wie trinationale Sportfeste, Begegnungen in den Schulen, Naturprojekte, Projekte zur Landeskunde usw.“

Erfahrungen aus dem Saarland
Frau Eva Hammes-Di Bernardo vom Ministerium für Bildung, Kultur und Wissenschaft des Saarlandes, informierte in einem Fachvortrag über die Einführung der Mehrsprachigkeit in den Kitas und Grundschulen an der deutsch-französischen Grenze: „Das Ergebnis der erfolgreichen grenzüberschreitenden Projekte, die in Saarland in den Jahren 2000 bis 2015 realisiert wurden, ist die Tatsache, dass derzeit 200 von 480 Kitas in Saarland bilingual arbeiten und es kommen ständig weitere hinzu. Die Sprachvermittlung erfolgt durch tägliche Immersion, also das Eintauchen in die fremde Sprache, bei der Umsetzung des Bildungsprogrammes für saarländische Kindergärten.“

„Wir würden uns gern an den Erfahrungen aus Saarland orientieren und eine ähnliche Entwicklung in unserer Region starten,“ sagt Michaela Janyska. „Während der Konferenz wurden viele konkrete Möglichkeiten besprochen, die beteiligten Bildungseinrichtungen haben sich vernetzt. Bei Interesse kann man sich jederzeit an die Kitas und Grundschulen wenden. Die Teilnehmer der Konferenz haben wichtige Informationen zum Spracherwerb und zur Vermittlung bekommen. Sehr wichtig in diesem Zusammenhang ist die politische Unterstützung. Gerade in dieser Hinsicht ist das Saarland sehr weit voraus, weil dort im Schulgesetz die französische Sprache von der ersten bis zur vierten Klasse als Pflichtfach verankert ist. Somit wächst eine neue Generation heran, die starke Bindungen an die Region haben wird, wo sie gern leben und auch für die Zukunft bleiben. In unserer Euroregion würden wir uns wünschen, dass mehr junge Menschen hier bleiben wollen,“ sagt abschließend Michaela Janyska.

Veranstaltet wurde die Konferenz von der Stadt Zittau und der Stadt Liberec im Rahmen eines Projektes Nachbarsprachen in der Euroregion Neiße (ERN 0494), gefördert durch die Europäische Union aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung. Die Schirmherrschaft haben die Oberbürgermeister der Städte Zittau und Liberec übernommen, Herr Thomas Zenker und Herr Tibor Batthyány.

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