Gelebte Zweisprachigkeit? – Erfahrungen im Kita- und Grundschulbereich

(Autorin: Jana Brenner, Tschechisch-Oberlausitz)

Seit knapp 10 Jahren lebe ich als tschechische Muttersprachlerin in Deutschland. Verheiratet mit einem deutschen Mann war unser Ziel, von Anfang an unsere Kinder zweisprachig aufwachsen zu lassen. Obwohl wir beide nicht aus dieser Region kommen, haben wir uns für die Oberlausitz zum Wohnen und Leben entschieden. Eine bessere Gegend als direkt an der Grenze zwischen Deutschland und Tschechien könnte es für uns doch nicht geben? Unsere Kinder erleben alltäglich die Zweisprachigkeit, offene Grenzen und die deutsch-polnisch-tschechische Euroregion im Alltag. Für uns ist es absolut unvorstellbar, dass wir nur in einem Land Leben und auf das andere Land und deren Kultur verzichten. Aber ist dies immer so unproblematisch wie gedacht?


Auf familiärer Ebene stellte sich dies vollkommen problemlos dar. Am Tisch wird jederzeit in beiden Sprachen kommuniziert. Unsere Kinder sprechen fließend Tschechisch und Deutsch von Anfang an. Die ersten Probleme begannen mit der Suche nach einem geeigneten Kindergarten. In Ebersbach-Neugersdorf und Umgebung gibt es keinen Kindergarten, der derzeit Tschechisch als Zusatzangebot anbietet, geschweige eine gelebte Zweisprachigkeit mit tschechischen Muttersprachlern in der Einrichtung durchführt. Da wir dies aber für wichtig halten, schickten wir unseren Sohn in zwei Kindergärten, zur einen Hälfte der Woche nach Deutschland und zur anderen Hälfte nach Tschechien. Dies ist zwar aufwendig für die Eltern, aber die gelebte Zweisprachigkeit ist uns sehr wichtig. So hat unser Sohn Freunde in beiden Ländern.

Kindergartenalter geschafft, aber wie weiter? In unserem Einzugsgebiet haben wir uns mehrere Grundschulen, sowohl in Tschechien als auch in Deutschland, angeschaut. Da uns die Sprachförderung der Nachbarsprachen in den Grundschulen in Sachsen zu gering ist, fiel unsere Entscheidung auf eine Schule in Rumburg, die Erfahrung mit bilingualen Kindern hat. Deutsch wird bereits ab der 1. Klasse regulär unterrichtet (durch zweisprachige Lehrerinnen!) und außerdem fahren die Kinder ab und zu zum Unterricht nach Deutschland. Perfekt! Aber nur bis zu dem Moment, als die sächsische Bildungsagentur mit ins Spiel kam. Den Besuch einer tschechischen Grundschule wurde uns durch die Bildungsagentur aufgrund der Schulpflicht in Deutschland vehement untersagt, obwohl laut sächsischem Schulgesetz Ausnahmen möglich wären. Nur durch einen Besuch einer deutschen Schule wäre auch eine Integration in Deutschland möglich! Ist das wirklich so? Nachdem wir offensichtlich zu viel diskutiert haben und nicht gleich nachgaben, suchte uns die Bildungsagentur eine Grundschule im Ort mit „intensivem Sprachlernen im Fach Tschechisch“. Wie wir festgestellt haben, handelte es sich dabei um eine Stunde pro Woche am Nachmittag, die durch einen nicht Muttersprachler durchgeführt wurde. Ist die Ablehnung der Bildungsagentur in unserer Grenzregion noch zeitgemäß? Scheinbar ist vielen noch nicht klar, dass sich die Zweisprachigkeit nicht nur auf die Sprachebene erstreckt. Bilinguale Kinder sind nachweislich toleranter und offener gegenüber anderen Kulturen. Genau das braucht unsere Region in der Zukunft.

Unser Kind jedenfalls hat jetzt die 1. Klasse in Tschechien absolviert und ist nach wie vor begeistert, auch wenn er nun in seinem deutschen Pass den Stempel „keine Hauptwohnung in Deutschland“ hat.

Die physischen Grenzen sind weg, aber wie sieht es mit den Grenzen in unseren Köpfen aus?

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